Anneliese Kuhk - Texte
Zur Künstlerin Anneliese Kuhk
Über ihr Leben & Werk
Anneliese Kuhk, kurz Kuki genannt, hat in den über sechzig Jahren ihrer Schaffenszeit verschiedene künstlerische Wege beschritten, bevor sie es in der Malerei zu einiger Meisterschaft gebracht hat.
Anneliese Kuhk ist im Wald aufgewachsen. Ihr Vater war Förster auf der Halbinsel Wollin, ihre Mutter eine ruhige, bodenständige Frau, die Klavier spielte. Kuki, am 4.4.1913 geboren, war ein introvertiertes Kind und blieb gern für sich allein. Sie liebte Streifzüge durch den Wald. Deshalb nannten die Leute sie "Elfe".
Als sie 1936 Jahren nach Berlin kommt, hat sie gerade die Kunstgewerbeschule in Stettin absolviert. Voll jugendlicher Freude stürzt sie sich in das Großstadtleben. In den Kreisen, in denen Kuki sich bewegt, wird der aufziehende Nationalsozialismus belächelt. Bekämpft wird er, indem man anders sein will, auf gar keinen Fall bürgerlich! Bewegungstanz, freie Liebe, Kinder ohne Trauschein- sich durch Anderssein abgrenzen, das sind die Antworten der Bohemiens, und das ist auch Kuki's Antwort. Walter Lüdtke, der Kameramann bei der Ufa, Ule Eidt, Leslie Barren der Schauspieler und Franz Hermesmeyer, der Geiger, begleiten sie auf diesem Weg. Doch als die Macht der Braunen Herren immer stärker in das Leben eingreift, da gibt es für sie nur die innere Emigration, höchstens noch Treffen in sehr kleinen Zirkeln mit Gleichgesinnten. Die Möglichkeit eines Protestes auf politischer Ebene, echter Widerstand, das liegt für die realitätsferne junge Frau außerhalb ihres Vorstellungsvermögens, wie für viele andere auch!
Kuki hat in den dreißiger und vierziger Jahren gestickt und gewebt. Sie hat viele Paramente, Stadtansichten und Gobelins gefertigt. Einige Entwürfe und Tiermotive sind aus dieser Zeit erhalten geblieben. Ihre bildnerische Schaffensperiode beginnt in den 50iger Jahren mit der Aufbruchstimmung nach dem 2.Weltkrieg. Da ist sie Mitte Dreißig und befreundet mit dem bildenden Künstler Paul Reissert und dem Kunsthistoriker Will Grohmann, sowie mit der Schriftstellerin und surrealistischen Malerin Unica Zürn und der Dadaistin Hanna Höch.
Kukis Anfangsbilder aus den fünfziger Jahren zeugen von den Einflüssen der Kubisten, der Bauhäusler, und der Surrealisten. Aber schon 1953 kommt sie zu eigenständigen Kompositionen: Feine kleine Federzeichnungen, bei denen sie die Farben in kleinsten Flächen so neben einander setzt, dass Mosaikstrukturen entstehen. Erste Ausstellungen bringen ihr – wie beispielsweise in der Galerie Springer in Berlin 1953 und in der Galerie Bremer 1957- viel Anerkennung und Ansporn.
Das scheinbar Abstrakte enthält noch immer etwas Organisches. Es entstehen Ölbilder mit Muschelmotiven und eine abstrakte figurative Serie, die dann in eine breite Streifen Serie übergeht. Ende der 50iger Jahre wechselt sie zu kleineren Formaten, Wachskreidebildern mit geritzten und gespritzten, sehr lebendigen und farbenfrohen Mustern.
In den 60iger Jahren entstehen Ölbilder von abstrakten Häuserfassaden, Spiegelungen und Stadtlichtern. Sie hat eine Ausstellung in der Galerie Hammer in Berlin. Es folgen Serien mit gelängten Figurengruppen, mit dekorativen Mustern und atmosphärisch, stimmungsvolle Bilder wie Ophelia und Tanz als figürliche Darstellungen.
In den fünfziger und sechziger Jahren reicht Anneliese Kuhk Entwürfe für die Kunst am Bau in Berlin ein. Sie bekommt viele Aufträge, von denen sie gut leben kann. Die kleine energische Frau fertigt große Wandbilder in Seccotechnik und riesige Mosaike in Schwimmbädern, Krankenhäusern, Schwesternheimen und Bibliotheken. Auch die Ätztechnik wendet sie auf Eingangstüren und Bilder an.
Sie war gut im Geschäft, als sie 1963 Michael Stone, ihre große Liebe, kennen lernt. Michael Stone ist Journalist, Schriftsteller und politisch aktiv. Er schreibt täglich Glossen und Fernsehkritiken für den Tagesspiegel. Seine jüngste Tochter Mara hat er aus England mitgebracht, und er beansprucht viel von Kukis Zeit, denn sie muss sich nicht nur um ihn und um das Essen, sondern auch um die kleine Mara kümmern. Deshalb sagte sie immer: „ Warum bin ich nicht als Mann geboren worden? Männer können immer unbeirrt ihrer Profession nachgehen und haben nicht so viele Verpflichtungen.“ Aber Michael hat sie glücklich gemacht.
In den 70iger Jahren beschäftigt sie sich mit Bleistift- bzw. Federzeichnungen. Ratten, skurrile Gruppen und anderes Getier werden zu Papier gebracht. Ausstellungen in der Edmonton Universität, Alberta, Kanada, 1968 und der London Parkway Focus Gallery 1978 zeigen diese Serien. Und sie arbeitet an Ölbildern mit politischen Aussagen. Die heilige Familie, Peace, Student in der Vorlesung, Durchleuchtet, Frau mit Hund, die Schwärmer, Freude strahlend aber strahlend. Es entstehen auch viele kleinere Arbeiten. Sie experimentiert mit gekratzter Pastellkreide und verlaufener Plakafarbe.
In den 80iger Jahren übernimmt Anneliese Kuhk eine Technik, die sie aus früheren Zeiten von ihren Freundinnen Unica Zürn und Hannah Höch kennt. Von Hannah Höch die Technik der Collage bzw. der Montage und von beiden die freie Assoziation, die typisch ist für die dadaistische und die surrealistische Kunst. Diese Stilrichtung entwickelt sie weiter zu eigenständigen Ergebnissen.
Mit der Methode der freien Assoziation arrangiert sie Farbschnipsel aus Illustrierten Zeitungen zu Collagen, die sie dann überzeichnet oder übermalt. Es entstehen fantasievolle, interpretationsreiche Arbeiten von ästhetischer Farbigkeit und Leichtigkeit und mit eigenständigem Ausdruck. Einige dieser Collagen setzt sie in große Ölbilder um.
Die inhaltlichen Aussagen wechseln von surreal – Glasvitrine, Wirbelsäulenfrau, Segelschiff, Baden im schwarzen Wasser, zwei alte Tanten tanzen Tango, Begegnung in Agadir, - bis zur Verarbeitung von Ängsten – Nachts auf der Straße, Erschrocken, Hund mit Frauenköpfen, Erscheinung. Die Übertragung der Collage in die Ölmalerei hat einen interessanten Wechsel zufolge. Die scharfen Kanten der Farbschnitzel werden geglättet. Die Strukturen der Übermalung werden durch die gleitenden Farbübergänge der Ölmalerei gemildert. Die Ästhetik der Farbe gewinnt an Aussagekraft. Auch die Größe der Gemälde erzielt eine andere Wirkung.
In den 80iger Jahren ist Kuki sehr produktiv. Neben den großen Ölbildern entstehen viele kleinere Arbeiten in Pastellkreide, Plakafarbe, Wachskreide, sowie Feder-, Bleistift- und Kohlezeichnungen, und die witzigen Collagen. So schuf sie ihr außerordentliches Oeuvre. 1983 zeigte Kuki ihre Werke in der Galerie Witte-Baumgartner und 1987 in der Galerie Noè
In den 90iger Jahren arbeitet Kuki an einigen großen Ölgemälden, die sie nach Collagen aus den letzten Jahren anfertigt: Maskenwelt, vor dem Brückenkopf, mit Musik, an den Netzen, der Drache, der auf den Wind wartet und andere. Sie sind überraschender Weise wieder abstrakter und vermitteln alle eine positive, leichte Stimmung und Farbigkeit.
Ihr Ehemann Michael Stone verstirbt 1993 plötzlich an einem Herzinfarkt. Erschüttert und tieftraurig bleibt Kuki zurück. Nie hätte sie damit gerechnet, dass sie ihren zehn Jahre jüngeren Ehemann überleben würde. Ende der 90iger Jahre stellt sie ihre Werke noch einmal in Potsdam aus. Nach einiger Zeit verschlechtert sich ihr geistiger Zustand rapide, so dass sie nicht mehr arbeiten kann. Die unvollendete Vogelfrau ist ihr letztes Ölbild. Es folgen nur noch kleinere Arbeiten. Anneliese Kuhk verstirbt am 16.8.2001 in Berlin mit 88 Jahren.
Ihr Werk ist nicht so einfach in die Kunstgeschichte einzuordnen. Werner Langer nannte sie in einer Rezension „die sanfte Surrealistin“. Das trifft sicher auf einen Großteil ihrer Bilder zu. Das Gesamtwerk ist jedoch zu vielfältig und unterschiedlich, als dass man sie auf eine Stilrichtung festlegen könnte. Ihre Arbeiten sind besonders phantasievoll und interpretationsreich. Sie zeugen von ihrem eigenwilligen Stil. Sie lässt sich nicht in ein Raster einordnen. In unverwechselbarer Weise verbindet sie Techniken, Zeichnung und Malerei. Sie hat ihre individuelle Sprache gefunden, ihren persönlichen Stil entwickelt.
Eines ist sicher: Anneliese Kuhk hätte sich heute über diese Ausstellung ihres Lebenswerkes sehr gefreut!